Bethlehemkirche Mannsflur

Gründung der Siedlung

Am Anfang war die Not: 700 Flüchtlinge, Schlesier, Ungarndeutsche, Sudetenländer, suchten in der Gemeinde Marktleugast und den Nachbarorten Zuflucht. Der ländliche Raum schien vielen Migranten besser geeignet als die zerbombten, oft schon überbelegten Städte. Die 1800-Einwohner-Gemeinde platzte aus allen Nähten.  Ab 1947 verfolgte Bürgermeister Hans Tittus die kühne Idee, eine eigene Flüchtlingssiedlung zu schaffen. Unterstützt wurde er von Karl-Theodor zu Guttenberg, dem Großvater des ehemaligen Verteidigungsministers, und Graf von Lippa, einem Vertriebenen auf Schloss Guttenberg. Die drei gründeten eine Baugesellschaft, in die Guttenberg aus seinem Forstrevier Mahnholz 20 Hektar als Grundkapital einbrachte. Was entstand ist einmalig in der Region: eine in baulicher, architektonischer und ökologischer Hinsicht zukunftsweisende „Gartensiedlung“. In ihrer Infrastruktur sichert sie die Grundversorgung der Neusiedler und schafft Arbeitsplätze vor Ort. Unter anderem fasst der Kinderbedarfshersteller „Storchenmühle“ Fuß, der mit 700 der größten Arbeitgeber des Oberlandes wird. Die Siedlung gilt in der Nachkriegszeit als so vorbildlich, dass sie 1954 bei einer Ausstellung im Vatikan zur Integration von Migranten als „Mustersiedlung“ vorgestellt wurde.

Sehnsucht nach einer eigenen Kirche vor Ort

1950 hatte sich in der Mannsflur die Zahl der Neusiedler auf 300 erhöht, wobei die Katholiken mit etwa 250 deutlich überwogen. Immerhin hatte es einen „Schub“ von Protestanten in dem sonst katholisch geprägten Territorium gegeben. Die Diasporasituation, die in Marktleugast bestand, war damit in der Nachbargemeinde nicht gegeben.

Da die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen evangelischen Glaubens in Stammbach „eingepfarrt“ wurden, mussten sie 10 km zu Fuß gehen, um einen Gottesdienst zu besuchen. Auch die Konfirmanden mussten zu Fuß in den Unterricht. Für viele war dieser Behelf bedrückend, hatte man doch oft in seiner alten Heimat eine intakte religiöse Gemeinschaft erlebt. Zudem bot der Glaube vielen Halt in den Jahren der Not. Mit einem sichtbaren Monument wie einer Kirche konnte ein Stück Heimat zurückgeholt werden. Dass die Kirche Realität wurde, ist in hohem Maß dem Stammbacher Pfarrer Klaus Diegritz zu verdanken. Er setzte sich seit 1950 mit Energie und Leidenschaft für einen Kirchenbau ein. Unterstützt wurde er vom Evangelischen Kirchenbauverein (Mai 1959 gegründet; ca. 60 Mitglieder), der innerhalb von 9 Monaten 10.218 DM für den auf 126.000 Mark veranschlagten Kirchenbau sammelte. Zusätzlich wurden 1.558 DM über Kollektengelder aufgebacht. Mit 10.000 Mark unterstützte die amerikanische „The Wooden Church Crusade Inc.“- Stiftung das Projekt. Mit dem gleichen Betrag unterstütze die Erbengemeinschaft Schlemmer, eine Markleugaster Familie, die in die USA ausgewandert war, die Kirche. Die Marktgemeinde Marktleugast brachte 2.000 DM, der Landkreis Stadtsteinach 1.000 DM auf. Der Rest wurde aus Umlagemittel der Evangelischen Landeskirche eingebracht.

Die Grundsteinlegung des Baus konnte schließlich am 10. Mai 1959 erfolgen. Feierlich eingeweiht wurde die Kirche  m 4. Dezember 1960, dem 2. Advent. Zum 50-jährigen Jubiläum 2011 wurde dem Gotteshaus der Name "Bethlehemkirche“ verliehen. Unter den Anwesenden befand sich auch Enoch zu Guttenberg (1946 - 2018), dessen Großvater Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg die Siedung Mannsflur maßgeblich mitbegründet hatte.

 

Bei der Einweihung gab es wegen fehlender Mittel noch keine Glocken. Durch Sammlungen und Spenden jedoch konnten die  Anschaffungskosten in Höhe von ca. 8.000 DM allmählich gedeckt werden. Am 18. März 1961 wurden die zwei Glocken, gefertigt in der Bronzegießerei Rincker, ausgeliefert. Das erste Mal erklangen sie am Palmsonntag 1961.

Architektur und Kunst

Mit dem Bau der Kirche wurde Emil Schomberg (1907 - 1984) beauftragt.  Der Stadtsteinacher Architekt entwarf einen Flachbau mit Pultdach, der sich harmonisch der Bungalow-Architektur der zweiten Bauphase der Siedlung einfügt. Die Stirnseite mit dem Eingangsportal ist mit einer Natursteinmauer verblendet. Als Stein verwendete man bewusst Diabas-Gestein aus der Umgebung, vom Steinbruch unterhalb von Traindorf. Das Innere der Kirche ist bewusst schlicht gehalten. Es soll würdig und schön wirken. Eine besondere Note erhält der Bau durch den Campanile, der mit seinen 14 Metern Höhe in einem wohlpropotionierten Verhältnis zum Kirchenbau steht. Er ist ein Blickfang, ein Zeichen, doch zugleich eine Einladung, das Gotteshaus zu betreten.

„Mein Leitgedanke war, dass auch die Geburtsstätte Christi eine Hütte, ein Stall gewesen ist, in dem er auf Stroh lag. Deswegen ist es angebracht, christliche Gotteshäuser nicht mehr als prunkvolle Paläste, sondern als schlichte Stätten zu bauen, entsprechend dem ästhetischem Geschmack unserer Zeit.“ - Architekt Emil Schomberg bei der Einweihung 1960.

Steinplastiken Hans Ruckers

Das Innere der Kirche ist ein „Multifunktionsraum“ (Helmuth Meißner) mit freiliegenden Metallkonstruktionen am Pultdach. Die zum modernen, sachlichen Charakter der Kirche passenden Prinzipalstücke – Altar, Ambo, Taufstein – stammen von dem renommierten Marktleugaster Steinbildhauer Hans Rucker (geb. 1931). Auf dem um zwei Stufen erhöhten Altarsockel stehen ein zylindrische, tonnenförmig geschweifter Taufstein, ein wuchtiger Altarblock, auf dessen Vorderseite ein Auge Gottes eingearbeitet ist, und ein Ambo mit den Evangelistensymbolen.

Altarmosaik Konrad Ehmanns

Das bedeutendste Kunstwerk der Kirche stammt von dem Nürnberger Maler Konrad Ehmann (1919 - 2014): ein aus farbigen Keramiksteinen gesetztes Mosaik mit dem Titel „Arche Noah“. Ehmann entwarf das Altarbild 1969 im Auftrag von Joachim und Irmgard Kauffmann, die  anlässlich der Trauung ihrer Tochter ein geeignetes Altarbild spenden wollten. Die Verarbeitung ist virtuos entfaltet durch das leuchtende Gold des Strahlenkranzes und das Smaradgrün der Friedenstaube.

Der Künstler selbst beschreibt sein Werk wie folgt: Gott Vater zeigt mit einer Hand den Weg zur Flüchtlingssiedlung Mannsflur. Die Friedenstaube begleitet die Arche zur glücklichen Strandung in Mannsflur. Gott hat die Menschen aus den Schrecknissen des Zweiten Weltkrieges gerettet und den Rahmen für eine neue Existenz gesetzt. Dass sie zur neuen Heimat wird, dass sie hier verwurzeln -  dafür müssen die Menschen selbst sorgen. Gott wird sie aber weiter begleiten und ihnen nahe sein. Für dieses Versprechen steht der Regenbogen. Mit dem Mosaik habe ich eine Neuerung versucht: Besteht ein „normales“ Triptychon aus drei Flügeln, die jeweils unterschiedliche Motive darstellen, so möchte ich die Dreiheit Arche Noah, Friedenstaube, Hand Gottes in eins zusammenführen.

 

Kunstvolle Paramente

In der Sakristei der Kirche befinden sich kostbare Altartücher (Paramente) in den Farben, die entsprechend des liturgischen Anlasses aufgelegt werden. Gefertigt wurden sie zum großen Teil von engagierten Frauen aus der Gemeinde. Das rote Paramentist das älteste, das von der Hebamme Helene Ludwig 1960 zur Einweihung der Kirche gestrickt wurde. Das grüne Altartuch hat Thea Gemeinhardt für die Gemeinde gefertigt.

Die beiden Kupferflügel der Eingangstür zur Kirche stammen ebenfalls von Hans Rucker. Der linke Flügel zeigt eine Szene aus dem Paradies mit Adam und Eva, dem Baum der Erkenntnis und der sich heranschleichenden Schlange. Aus dem rechten Türflügel ist ein Kreuzesmotiv modelliert mit Maria und Johannes. Darüber befindet sich die Hand Gottes.

Bethlehemkirche Mannsflur

Text: Wolfgang Schoberth

Fotos: Wolfgang Schoberth